Montag, 29. Juni 2015

Warum sollte ich das verschweigen?

Warum sollte ich lügen? Mich entschuldigen? Mir Ausreden ausdenken?
Ich will das nicht.
Aber nicht wegen Mitleid.
Oder Aufmerksamkeit.
Oder den vielen "Oh, du Arme".

Nein, ich bin umgeben von vielen lieben Menschen, meiner Familie, meinen Freunden, all denen, die in dieser schweren Zeit für mich da waren. Mich trösteten. Auf mich aufpassten. Mir zuhörten.

Mir geht es darum: Warum sollte eine Frau, die so etwas erleben muss, noch zusätzlich andere belügen?
Was hast du gehabt?
Warum warst du krank?
Was war denn los?

Ach, ich ... hatte ... war ... eine Grippe?
Nein, ich hatte eine Fehlgeburt.
Ja, ich gehöre zu den viele Frauen, die das erleben muss. Die diese Nachricht - in der 8. Woche - zu hören bekommt, der Fötus hat aufgehört sich zu entwickeln.
Es lebt nicht.
Es hat nie gelebt.

Ich versuche das mal zu glauben. Was bleibt mir denn anderes übrig?
Ich habe mich mit meinen Mann darauf gefreut.
Der Test war vor Wochen positiv und wir waren sogleich auf Wolke 7.
Haben wir uns vielleicht zu sehr gefreut?
Und 3-4 Wochen später hieß es dann: "Nein, Sie bekommen kein Baby."
Es muss "weg" gemacht werden.
Eine OP.
Ambulant, kurz und schmerzlos.

Und das war's.
Für die Ärzte zumindest. Es ist nichts besonderes. Passiert öfters als man denkt. Nur redet keine Frau darüber. Wieso aber? Ich war schockiert. Wieso sollte ich mir nun auch noch Geschichten ausdenken, warum ich ins Krankenhaus muss. Zu einer OP. Welcher? Mandeln-OP? Blinddarm?

Für mich steht fest, nein, das kann ich nicht. Ich habe "mein Baby" verloren. Das Baby, auf das ich mich gefreut habe. Ich hoffe von Herzen, dass es wirklich nie gelebt hat. Trotzdem hat es in meinem Herzen für Wochen einen großen Platz eingenommen. Und trotzdem war diese Erfahrung nicht schön für mich. Auch die OP ist nicht ohne. Bis ich wieder voll und ganz auf den Beinen bin, dauert es noch Wochen.
Und seelisch?
Ich versuche es zu verarbeiten. Auf meine Art und Weise.

Was meinen Tinnitus angeht. An diesen Tagen wurde ER nicht lauter. Ich glaube sogar, ER war fast noch leiser. Denn es war als wäre ich Tage lang wie in Trance. In den Gedanken wo anders, nur mein Körper nahm brav alle Termine bei den Ärzten wahr, hörte sich das "so-machen-wir-es-weg-bla-bla" an und lebte in den Tag hinein. Irgendwie. Auf dem Sofa. Im Bett. Nicht aktiv.

Erst an diesem Wochenende habe ich es dann geschafft mich aufzurappeln. Ich laufe wieder viel. 8- 10 km. Einfach drauf los. Das hilft mir.

Ich werde auch dieses Schicksal überwinden.
Denn aufgeben ist keine Option.

Eure Anna